Der Vorläuferfilm: Vacanze d’inverno („Winterurlaub“)

Der Atmosphäre, Struktur und Szenerie wegen gilt der Film Vacanze d’inverno (auf Deutsch „Winterurlaub“, 1959) von Camillo Mastrocinque als Vorgänger der sogenannten „Cinepanettoni“ bzw. italienischer Weihnachtsfilme. Der Film wurde den Vanzina-Brüdern von seinem Vertreiber Luigi De Laurentiis als Modell für Vacanze di Natale (auf Deutsch „Weihnachtsurlaub“) vorgeschlagen und zur Gänze in Cortina gedreht. Unter den Schauspielern des Films sind der römische Filmstar Alberto Sordi und der großartige Regisseur und Schauspieler Vittorio De Sica – Vater von Christian De Sica, dem künftigen Protagonisten vieler „Cinepanettone“-Filme – hervorzuheben.

Vacanze d’inverno ist eine choral erzählte Urlaubskomödie und außerdem einer der zahlreichen Filme, in denen Alberto Sordi und der Drehbuchautor Rodolfo Sonego aus Belluno zusammenarbeiten. Sowohl aufgrund des Erscheinungsdatums als auch der Themenschwerpunkte Tourismus und Urlaub kann der Film als „Boom-Komödie“ bezeichnet werden, die die Atmosphäre des wirtschaftlichen Wohlergehens beschreibt, welche Italien zwischen Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre prägte. Die Urlaubskomödien entwickelten sich zu einer regelrechten Filmrichtung, die sich vorwiegend dadurch auszeichnete, dass sie die neuen Gewohnheiten der Italienerinnen und Italiener widerspiegelte und sozialkritische Elemente beinhaltete, die meist schonungslos und mit ausgeprägtem Zynismus behandelt wurden.

Einige Merkmale, die der Vorläuferfilm mit den künftigen „Cinepanettone“-Filmen teilt, sind die chorale Erzählung, die auf Gags basierende Komik, das Zusammentreffen von Figuren unterschiedlichster regionaler und sozialer Herkunft, die mit Liebesgeschichten durchzogenen Nebenhandlungen und selbstverständlich die winterliche Szenerie sowie die Urlaubsstimmung.

 

Da Vacanze d’inverno zur Gänze in Cortina spielt, umfasst die Komödie zahlreiche Ampezzaner Drehorte, von denen heute einige im Vergleich zu damals ein anderes Antlitz aufweisen, da sich natürlich seit 1959 vieles geändert hat.

So übernachten zum Beispiel der römische Buchhalter Alberto Moretti (Alberto Sordi) und seine jugendliche Tochter Titti (Christine Kaufmann) aufgrund eines Gewinnes im Grandhotel Faloria, in welchem der scheinbar makellose Portier Maurizio (Vittorio De Sica) arbeitet. In den 50er-Jahren wurde das Grandhotel von den Ursulinerinnen übernommen und in ein neusprachliches Gymnasium umfunktioniert, das bis 2015 bestand, um dann als Ferienhaus zu dienen, das weiterhin von den Schwestern geleitet wurde.
Auch der schneebedeckte Platz, auf dem das Hürdenrennen stattfindet, dem die verschiedenen Figuren des Films von den Rängen aus beiwohnen, dient heute einem ganz anderen Zweck. Während er damals eine Eisbahn unter freiem Himmel war, die als schneebedeckte Fläche auch für andere Aktivitäten genutzt werden konnte, befindet sich heute dort die Tennisanlage Tennis Apollonio mit ihren Spielfeldern. 
Ein weiterer Drehort ist die Berghütte Rifugio Col Drusciè, die bereits seinerzeit für ihre Sonnenterrasse sehr beliebt war. Die Hütte wurde mehrmals gefilmt und unter anderem wurde hier eine amüsante Sequenz gedreht, die nicht auf der Terrasse, sondern dort spielt, wo sich heute die Bergstation der Kabinenbahn „Tofana Freccia nel Cielo“ befindet. Bei seinem Versuch, Teil der luxuriösen Welt der Gräfin Paola (Eleonora Rossi Drago) zu werden, stürzt der Buchhalter Moretti schließlich auf Skiern die schwarze Piste hinunter, die genau bei der Berghütte beginnt (in einer Aufnahme ist neben Sordi ein Schild mit der Aufschrift „Piste A – sehr steil“ zu sehen).
Der Film endet hingegen am Bahnhof in Cortina mit einer Szene, in der ein gefügiger und niedergeschlagener Moretti zu sehen ist, der mit seiner weisen Tochter Titti in den Zug nach Rom steigt, nachdem er aufgrund eines angehäuften Schuldenbergs das Auto verpfändet hat, mit dem die beiden nach Cortina gekommen sind. Auch der Bahnhof wurde einem grundlegenden Wandel unterzogen: In den 60er-Jahren wurde er nämlich in einen Busbahnhof umfunktioniert, der noch heute in Betrieb ist.

Interessante Details:

-Ein damaliges Plakat zum Film Vacanze d’inverno zeigt einen unbeholfenen Alberto Sordi auf Skiern in Gesellschaft üppiger Frauen in aufreizender Kleidung, obwohl in dem Film eigentlich nichts dergleichen zu sehen ist.

-Vacanze d’inverno ist der erste italienische Film, der von dem 1958 in Rom eröffneten Werk des Filmunternehmens Technicolor bearbeitet wurde.

 

Die „Cinepanettone“-Filme

Unter all jenen Filmen, die ab den 80er-Jahren in Cortina d'Ampezzo spielten, erzielten die sogenannten „Cinepattone“-Filme beim italienischen Publikum den größten Erfolg und bewirkten, dass sich Cortina definitiv als berühmtestes Winterreiseziel Italiens behauptete. 

Die „Cinepanettone“-Filme wurden unter anderem von den Brüdern Enrico und Carlo Vanzina bearbeitet und gedreht und ausnahmslos von der von Luigi und Aurelio De Laurentiis gegründeten Filmgesellschaft Filmauro produziert. Sie weisen alle folgende Charakteristiken auf:

-eine chorale Erzählung, die in Episoden gegliedert ist, welche gewöhnlich in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr spielen;

-ein Soundtrack, der auf den Ohrwürmern des Jahres basiert;

-eine Besetzung, für die auf Persönlichkeiten unterschiedlichster regionaler Herkunft des damaligen Fernsehens zurückgegriffen wurde, und die wiederholte Teilnahme von Christian De Sica oder Massimo Boldi unter den Hauptdarstellern;

-der rituelle Wert, den diese Filme für die breite italienische Öffentlichkeit eingenommen haben, was sowohl auf ihr systematisches Erscheinen in den Kinosälen zur Weihnachtszeit als auch ihre bewährte Formel, die bei den Zuschauern besonders gut ankommt, zurückzuführen ist.

 

Trotzdem kam der Ausdruck „Cinepanettone“ erst Anfang der 2000er-Jahre in Mode und wurde vermutlich eher in Bezug auf zeitgenössische Filme als auf die Produktionen der vorhergehenden zwanzig Jahre und zudem häufig abwertend verwendet.

Insgesamt wurden in der Ampezzaner Talmulde folgende drei „Cinepanettone“-Filme gedreht: Vacanze di Natale (auf Deutsch „Weihnachtsurlaub“, 1983), Vacanze di Natale 2000 (1999) und Vacanze di Natale a Cortina (auf Deutsch „Weihnachtsurlaub in Cortina“, 2011).

Der erste „Cinepanettone“-Film: Vacanze di Natale („Weihnachtsurlaub“)

Als winterliches Gegenstück zum Film Gelati und Amore, der in demselben Jahr ebenfalls von Carlo Vanzina gedreht und seinem Bruder Enrico bearbeitet wurde, wird Vacanze di Natale als erster italienischer „Cinepanettone“-Film betrachtet. Er ist außerdem unter den Filmen seiner Art der beliebteste, da er leichte und lockere Unterhaltung sowie ausgeklügelte Handlungen bietet und das damalige Italien authentisch schildert. Die Gewohnheiten der Neureichen, die sich gezwungen sehen, mit anderen Gesellschaftsklassen abzurechnen, werden in dem Film, obgleich nicht scharf, sondern zumeist durch die Komik gefiltert und verschönt, sehr wohl kritisiert. Dank des unvergesslichen Pop-Soundtracks, der authentisch geschilderten Sitten und Gebräuche jener Zeit sowie der Farbästhetik, welche die Vergnügungen der damaligen Jugend, die Mode und eine unbeschwerte Atmosphäre, nach der sich fast jeder zurücksehnt, zur Geltung bringt, besitzt der Film heute bereits einen nostalgischen Vintage-Beigeschmack.
Vacanze di Natale stellt Cortina d’Ampezzo mit der Vorspannsequenz, begleitet vom ikonischen Song Moonlight Shadow (Mike Oldfield und Maggie Reilly), sofort in den Vordergrund. Es sind abwechselnd Aufnahmen von Skifahrern auf den Pisten, von weiten Panoramen des verschneiten Tals und der Cinque Torri, von Seilbahnen und Skiliften sowie von Eisläufern im Eisstadion zu sehen. Des Weiteren werden beinahe dokumentarische Bilder von amüsanten Szenen, Landschaften, Schnee oder vom Skifahren gezeigt und schließlich ein traditionelles Ampezzaner Chalet gefilmt. Der Ort wird somit von Anfang an als zentrales Filmelement präsentiert und zudem werden die für den gesamten Film charakteristischen Motive des Vergnügens, des Sports und der Entspannung vorgestellt.
Mit Ausnahme der reichen Familie Covelli aus Rom (darunter ein junger Christian De Sica), die in dem oben genannten traditionellen Chalet wohnt, das sich in Wirklichkeit in der Ortschaft Pecol befindet und den Namen Baita dell’Orso (in Privatbesitz) trägt, sowie Billo, dem von Jerry Calà dargestellten Pianisten und Sänger, der in einer einfachen Wohnung in einem Holzhaus in der Ortschaft Zuel di Sotto lebt, teilen sich die anderen Figuren auf zwei Hotelanlagen auf.
Das erste Hotel ist das bescheidene Hotel Fanes, in dem die im Vergleich zur Familie Covelli zweifellos weniger wohlhabende Familie Marchetti aus Rom untergebracht ist. Das seit 2002 geschlossene Hotel ist das erste, auf das man entlang der Staatsstraße Alemagna kurz vor Cortina trifft, weshalb die Vanzina-Brüder es vermutlich bewusst auswählten, da es preiswert war und weit vom Zentrum entfernt lag.

Das zweite Hotel gehört einer völlig anderen Kategorie an als das Hotel Fanes: Es handelt sich nämlich um das luxuriöse Cristallo, a Luxury Collection Resort & Spa, eines jener historischen Grandhotels, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Ampezzaner Talmulde erbaut wurden. Das Cristallo erscheint daher als Symbol der Luxushotels, jener Art von Unterkunft, die von den aus Mailand stammenden Neureichen, darunter Donatone Braghetti (von einem erheiternden Guido Nicheli dargestellt) und seine Frau Ivana (Stefania Sandrelli), bevorzugt wird. Einer der berühmtesten Sätze des Films stammt von Guido Nicheli, der sich als Donatone Braghetti bei seiner Ankunft zusammen mit seiner Frau im Cristallo mit einem einwandfreien Mailänder Akzent an diese wendet und sagt: „Ivana, wirf einen Blick auf die Zeiger! Via della Spiga, Hotel Cristallo in Cortina: zwei Stunden, vierundfünfzig Minuten und siebenundzwanzig Sekunden! Alboreto is nothing!”

Eine der Locations, die infolge ihres Erscheinens im Film Vacanze di Natale bekannt wurden, ist der Vip Club, der 1972 von der Familie Cardazzi, den Besitzern des Hotel Europa, eröffnet wurde. Die Familie beschloss, einen Bereich des Erdgeschosses der Anlage als Lokal einzurichten, um den Hotelgästen einen abendlichen Treffpunkt mit Live-Klaviermusik zur Verfügung zu stellen. Die Idee erwies sich als erfolgreich und so wurde aus dem Vip Club das renommierteste Restaurant und zugleich Diskothek Cortinas. Noch heute wird der Club vom Jetset Cortinas besucht und für die Qualität der servierten Gerichte und Weine geschätzt. Genau hier arbeitet Jerry Calà in der Rolle des Billo als Saisonsänger. 
Der Vip Club ist keinesfalls das einzige Lokal Cortinas, das im Film vorkommt, wenn auch das einzige, das abends und nachts frequentiert wird. Nach einem Skitag ist eine Erholungspause in einer der zahlreichen am Pistenrand gelegenen Berghütten ein Muss. Die Gruppe junger Römerinnen und Römer, darunter Roberto Covelli (Christian De Sica) und seine amerikanische Verlobte Samantha (Karina Huff), kehrt in die Hütte Baita Piè Tofana ein, die auch heute noch ein sehr beliebter und viel besuchter Treffpunkt ist. Die beiden Mailänder Paare des Films bevorzugen hingegen das Lokal des Eisstadions, das seinerzeit direkt an der Eisbahn unter freiem Himmel gelegen war. Genau in diesem Lokal spricht der Schauspieler Guido Nicheli einen weiteren ikonischen Satz aus, als er sich als Donatone Braghetti an seine Frau wendet, die es kaum erwarten kann, auf dem Eis zu laufen, und meint: „Liebling, das wahre Vergnügen ist hier: Sonne, Whisky und schon startest du aus der Poleposition!“ 

Interessante Details:

-Obwohl der Film von einem Skiurlaub in der Weihnachtszeit handelt, wurden die Dreharbeiten zu einer Zeit durchgeführt, in der in Cortina so gut wie kein Schnee lag. Mangels digitaler Effekte verwendete man somit als Ersatz natürlichen Schnees einen äußerst klebrigen weißen Schaum.

-Der Soundtrack umfasst nicht weniger als dreiundzwanzig Pophits der Jahre 1982-83, die oft zur Verbindung aufeinanderfolgender Sequenzen eingesetzt wurden; dazu zählen: Moonlight Shadow (Mike Oldfield), Maracaibo (Lu Colombo), Vita Spericolata (Vasco Rossi), Dance All Nite (Lu Colombo) und Grazie Roma (Antonello Venditti).


KARTE MIT DEN LOCATIONS